IN MEMORIAN AMADEUS
Als ich meine brave, pflichtbewusste erste Blindenführhündin Colima aufgrund diverser Alterswehwehchen mit 11 Jahren pensionieren musste, begann ich zu überlegen, welcher Hund wohl als nächstes zu mir passen könnte.
Cornelia informierte mich unter anderem über die Rasse Weißer Schweizer Schäferhund, und ihre Beschreibung faszinierte mich auf Anhieb:
Genauso anhänglich, klug und treu wie der Deutsche Schäferhund aber wesentlich sensibler und empathischer gegenüber seinem menschlichen Partner sowie allgemein sehr sozial.
Außerdem sollten Weiße Schweizer Schäferhunde aus seriöser Zucht auch weniger unter Gelenkskrankheiten und anderen körperlichen Mängeln leiden.
Cornelia und ich beschlossen, uns die Rasse live im Rahmen einer Hundeausstellung anzusehen.
Wir hatten Glück und trafen menschenfreundliche Weiße Schäferhunde mit ebenso freundlichen BesitzerInnen und ZüchterInnen.
Ich durfte einige Rassevertreter anfassen und stellte fest, dass Weiße Schäferhunde verschiedene Haarlängen aufweisen können:
Mir gefielen auf Anhieb die langhaarigen Vertreter am besten, auch wenn Cornelia mich sofort vorwarnte, dass die Anschaffung eines langhaarigen Rassevertreters tägliche Fellpflege und ein Hundeleben lang Haarflusen im Haus und auf der Kleidung bedeuten würde.
Das war mir egal – meine Wunschrasse war gefunden.
Besonders wichtig war mir allerdings auch, dass mein neuer Blindenführhund auf den Konzertbühnen, die ich in den letzten Jahren erobert hatte, genauso viel Spaß haben würde wie ich und mich voller Freude und Elan zu meinen Auftritten begleitete.
Mir war klar, dass diesen speziellen Anspruch keine normale Blindenführhundeschule erfüllen konnte, da mein Hund eine anders geartete und gewichtete Sozialisation und Aufzucht brauchte als ein konventioneller Blindenführhund.
Aber zum Glück hatte ich ja Cornelia:
Sie ist ja nicht nur meine Assistentin sondern hauptberuflich Tierärztin und gerichtlich beeidete Sachverständige für das Blindenführhundewesen.
Und bevor sie meine Assistentin wurde, hatte sie jahrelang regelmäßig Assistenzhunde ausgebildet und Assistenzhunde-Teams geschult.
Sie bot mir an, meinen zukünftigen Blindenführhund gemeinsam mit mir aufzuziehen und auszubilden und so optimal auf das Leben an der Seite eines blinden Musikers vorzubereiten.
Cornelia recherchierte monatelang und informierte sich über Zuchtvereine und Züchter.
Sie nahm Kontakt mit Pia Modl, der Zuchtreferentin des Zuchtvereins für Weiße Schweizer Schäferhunde im Österreichischen Kynologenverband auf.
Pia züchtet selbst Weiße Schäferhunde unter dem Zwingernamen „White Condor“.
Sie war Cornelia schon am Telefon sehr sympathisch.
Pia lud uns ein, sie und ihre Zuchtstätte unverbindlich zu besuchen.
Diese Gelegenheit ließen wir uns natürlich nicht entgehen.
Schon der erste Eindruck von Haus und Grundstück war sehr positiv, alle Hunde durften sich auf dem großzügigen Areal frei bewegen und wirkten sehr entspannt und kontaktfreudig.
Die Züchterin lud uns sofort in ihr Wohnzimmer ein.
Pia hatte damals gerade einen Wurf Welpen, der mit seiner Mutter mitten im Wohnzimmer in einem aufgeblasenen Baby-Swimmingpool residierte.
Ich durfte die ca. 3 Wochen alten Welpen auch in die Hand nehmen und mit ihnen kuscheln.
Die Aufzuchtbedingungen und der liebevolle Umgang der Züchterin mit ihren Hunden überzeugten uns sofort.
Die Welpen wurden durch die exzellenten Aufzuchtbedingungen im Haus mit allen Alltagseindrücken und im direkten Kontakt mit Menschen und einem sehr selbstbewussten wunderschönen Britisch Kurzhaar Kater optimal sozialisiert, so wie ich es mir für meinen zukünftigen Führhund wünschte.
Pia hatte damals noch eine zweite Zuchthündin – Silvery – die in ein paar Monaten Welpen bekommen sollte.
Silvery interessierte sich von Anfang an ganz besonders für mich, schmuste mit mir und nahm wiederholt Körperkontakt mit mir auf.
Aber auch ich verliebte mich sofort in die stämmige Hündin mit dem liebevollen Wesen und den dicken Pfoten.
Ich wollte einen Welpen von dieser Hündin!
Die Züchterin nahm unsere Reservierung entgegen und versprach, sich sofort zu melden, wenn die Welpen da wären.
Mitte März 2013 kam der ersehnte Anruf der Züchterin:
Silvery‘s Welpen waren endlich da!
Leider hatte es aber bei der Geburt Komplikationen gegeben, und so waren es statt der erhofften 8 nur 4 Welpen, 3 Rüden und 1 Hündin.
Ich hatte eine Hündin reserviert, aber diese eine wollte nun verständlicherweise die Züchterin selbst für die Weiterzucht behalten.
Die 3 Rüden waren nun sowieso schon viel zu wenige für die vielen Welpenanwärter auf Pias Reservierungsliste, und sie hatten alle schon lange vor mir reserviert.
Ich konnte Pias Bemühen um Fairness bei der Zuteilung der Welpen gut verstehen, war aber trotzdem sehr traurig, denn ein Welpe von der wunderschönen und charakterstarken Silvery wäre mein Wunschtraum gewesen, auf dessen Erfüllung ich jetzt wahrscheinlich noch sehr lange würde warten müssen.
Cornelia und ich vereinbarten trotzdem einen Besuch bei der Züchterin, um uns Silvery‘s Welpen einfach mal anzuschauen.
Wir besuchten Pia Mitte April, als die Welpen ca. 4 Wochen alt waren.
Alles war genauso wie bei unserem ersten Besuch:
In einem riesigen Baby-Swimmingpool mitten in Pias Wohnzimmer kullerten unter Silvery‘s aufmerksamen Augen 4 flauschige Eisbärbabys herum.
Ich war sofort Feuer und Flamme!
Ich setzte mich zunächst auf einen der Wohnzimmerstühle, und die Welpen wuselten neugierig um uns herum.
Man konnte sofort erkennen, dass alle Welpen tiefenentspannt und mit allen Umweltreizen, anderen Tieren und auch menschlichen Besuchern vertraut waren.
Einer der Welpen – der größte mit dem dichtesten Fell – schien sich ganz besonders für mich zu interessieren.
Er setzte sich nach dem ersten neugierigen Schnuffelkontakt direkt vor mich hin und schaute mich eine ganze Viertelstunde lang unverwandt und konzentriert an – eine riesige Aufmerksamkeitsspanne für so ein kleines Hundekind!
Als ich ihn schließlich in den Arm nahm, kuschelte er sich sofort an mich an und machte mit seinem Verhalten ganz klar, dass er seine Wahl getroffen hatte: Ich sollte sein Herrchen werden!
Leider war da aber nichts zu machen – mein Traumwelpe war bereits einem anderen Interessenten versprochen.
Auf der Heimfahrt und noch Tage danach war ich sehr niedergeschlagen und heulte Cornelia die Ohren voll, dass das mein Traumhund gewesen wäre und ich eigentlich nur dieses Eisbärbaby mit dem dicken Fell und den dicken Pfoten wollte.
2 Wochen nach unserem Besuch rief Pia Modl bei Cornelia an und teilte ihr mit, dass eine Welpeninteressentin abgesprungen sei und sie die Welpen noch nicht zugeteilt hätte.
Wenn wir wollten, könnten wir unter den 3 Rüden die erste Wahl haben.
Selbstverständlich waren wir schon am nächsten Tag bei der Züchterin.
Cornelia führte bei allen Welpen einzeln spezielle Eignungstests für zukünftige Assistenzhunde im Hinblick auf Menschenfreundlichkeit, Kontaktfreude, Rudelverhalten, Umweltverhalten, Apportiertrieb und Problemlösungsverhalten durch.
Aber eigentlich hätte sie sich das ersparen können.
Denn als mein Traumwelpe für den Test in den Raum gelassen wurde und mich auf dem Boden sitzen sah, nahm er ohne Zögern Anlauf und sprang mir direkt in die Arme.
Im Gegensatz zu seinen Geschwistern ließ er sich auch keineswegs von meinem Panflötenspiel vertreiben sondern machte es sich schon nach kurzer Zeit unter meinem Hocker gemütlich.
Einen passenden Namen hatte ich auch schon für ihn ausgesucht: AMADEUS!
Als ich Amadeus am Ende des Welpentests schließlich im Arm hielt, andächtig sein wundervoll flauschiges Fell streichelte und ich wusste, dass er jetzt mir gehörte, stand mir das Glück ins Gesicht geschrieben.
Schweren Herzens trennte ich mich ein letztes Mal von meinem Traumhund und vereinbarte die Abholung für den Christi Himmelfahrtstag, denn da war Amadeus genau 8 Wochen alt, und an diesem langen Wochenende würden Cornelia und ich uneingeschränkt Zeit für die Eingewöhnung unseres neuen Familienmitgliedes haben.
Als der Tag der Abholung von Amadeus von seiner Züchterin anbrach, war ich schon sehr aufgeregt.
Bloß nichts vergessen für die erste gemeinsame Autofahrt mit meinem neuen Traumhund: Welpenhalsband, passende Leine – alles natürlich funkelnagelneu! – Reisebettchen fürs Auto, Belohnungskekse, Wasserschüssel und Wasserflasche, Spielzeug, Handtücher und Windelunterlagen für eventuelle kleine Unfälle.
Als wir vor dem Anwesen der Züchterin parkten, sah Cornelia beim Aussteigen am Tor schon ganz allein ein weißes Fellknäuel sitzen – eindeutig Amadeus!
Obwohl weiter hinten am Grundstück seine Mama und Geschwister miteinander spielten, schien er bereits auf mich gewartet zu haben.
Begeistert begrüßte er mich in diesem Moment schon genauso, wie er es von da an in all seinen 9 Lebensjahren an meiner Seite tat mit heftigem Schwanzwedeln und zärtlichem Anlehnen.
Nach der Begrüßung schloss er sich mir an, eskortierte mich zur Sitzecke im Hof und ringelte sich ganz selbstverständlich unter meinem Stuhl zu einem Nickerchen ein, als ob er noch nie etwas anderes getan hätte.
Mein Herz floss über vor Liebe und Zärtlichkeit für dieses flauschige Hundekind, das jetzt schon mit so großer Entschlossenheit seine Verbundenheit mit mir bekundete.
Alle Anwesenden, auch Pia, waren erstaunt, denn so etwas hatten sie auch noch nie erlebt.
Wir erledigten alle Formalitäten und unterhielten uns noch eine Weile mit der Züchterfamilie, dann machten wir uns auf den Weg nach Hause.
Amadeus begleitete uns ganz selbstverständlich zum Tor, wo ich ihn liebevoll auf den Arm nahm und mit ihm ins Auto stieg.
Als wir schließlich losfuhren, schaute er sich kein einziges Mal mehr um.
Gegen Ende der langen Autofahrt nach Hause hielten wir bei einem Fast Food Restaurant, um mit Amadeus Gassi zu gehen und uns zu stärken.
Als wir auf der Suche nach einem Sitzplatz das zu diesem Zeitpunkt gerade gut besuchte Lokal durchquerten, nahm ich mein Eisbärbaby auf den Arm.
Einige jugendliche Restaurantgäste erspähten uns und brachen sofort in ohrenbetäubendes Kreischen und Ausrufe wie „Oh, wie süüüß!“ und „Dürfen wir ihn streicheln?“ aus.
Amadeus ertrug den Ansturm mit stoischer Gelassenheit und zeigte mir damals schon, dass ein Konzert oder eine Fanclubveranstaltung für ihn keine große Herausforderung sein würden.
Ich war so stolz auf mein großartiges Hundekind!
Als wir zu Hause ankamen, stand Amadeus eine weitere Herausforderung bevor:
Das erste Zusammentreffen mit Cornelias kleiner Französischer Bulldogge Ferdinand.
Nach dem ersten vorsichtigen Beschnuppern war klar, dass hier der Grundstein für eine lebenslange innige Männerfreundschaft gelegt war.
Obwohl sie äußerlich und auch in ihren Charaktereigenschaften sehr verschieden waren, vertrugen sie sich auf Anhieb und ergänzten sich perfekt.
Ferdinand erwies sich als perfekter Lehrmeister für mein Eisbärbaby.
Er zeigte Amadeus auf unseren gemeinsamen Trainingsspaziergängen die Welt und sorgte als unerschütterliches Vorbild mit seiner stoischen Gelassenheit in allen Alltagssituationen und unverbrüchlichen Menschenfreundlichkeit dafür, dass auch mein kleiner Weißer Schäferhund sich nach und nach an allen Orten und im Umgang mit allen Menschen sicher und geborgen fühlte.
Amadeus wusste Ferdinands Schirmherrschaft von Anfang an sehr zu schätzen und zeigte es ihm auch.
Als die beiden zu Anfang noch gleich groß waren, pflegte Amadeus, wenn er neben Ferdinand saß, immer seinen langen weißen Schwanz wie eine Stola um Ferdinands Schultern zu legen.
Auf den ersten gemeinsamen Spaziergängen lief er immer in Ferdinands Windschatten, mit seiner Nase direkt am Hinterteil seines Patenonkels.
Die Anwesenheit und der Geruch seines „Best Buddies“ gaben ihm Sicherheit.
Später, als Amadeus selbst erwachsen geworden war, übernahm er für seinen kleinen Patenonkel gerne die Beschützerrolle und kümmerte sich liebevoll um ihn, wenn er krank war.
Trotz des gewaltigen Größenunterschiedes waren die beiden im Umgang miteinander sehr zärtlich und stritten selten.
Im Gegenteil, ihr Verhältnis wurde mit den Jahren immer inniger und liebevoller.
Cornelia und ich waren übereingekommen, Amadeus in den ersten Wochen ausschließlich aus der Hand zu füttern.
Also teilten wir schon am ersten Abend die Futterportion unseres Azubis in 2 Portionen auf.
Dann stellten wir uns im Freigelände in einiger Entfernung voneinander auf und riefen abwechselnd: „Amadeus, Hier!“
Sobald Amadeus beim jeweils Rufenden angekommen war, gab es zur Belohnung eine Handvoll Futter.
Amadeus durchschaute die Regeln des neuen Spiels sofort, und bald sauste er mit einem derartigen Affenzahn von einem zum anderen, dass er in seinem Übereifer des öfteren in unsere Beine donnerte.
Es stellte sich bald heraus, dass mein Eisbärbaby für Futterbelohnungen sehr empfänglich war.
Weiters stellte sich heraus, dass mein Hundekind nicht nur schnell laufen sondern auch sehr schnell denken konnte.
Die Grundkommandos „Hier“, „Sitz“, „Platz“ und „Bleib“ saßen innerhalb weniger Tage und wurden dank positiver Motivation immer wieder mit Begeisterung gezeigt und perfektioniert.
Für die ersten Nächte hatte ich, um Unfällen vorzubeugen, im Schlafzimmer direkt neben meinem Bett eine Box vorbereitet, mit weicher Kuscheldecke und Spielzeug.
Ich hatte die Box direkt neben meinem Kopfkissen positioniert, damit mein kleines Hundekind sich ja nicht einsam fühlte und ich es jederzeit streicheln und beruhigen konnte.
Mir gefiel die Box sehr gut.
Amadeus gefiel die Box überhaupt nicht.
Neugierig und vertrauensselig bestieg er zunächst freiwillig die liebevoll eingerichtete Schlafbox.
Als er jedoch bemerkte, dass die Tür verschlossen war, tat er sein Missfallen umgehend und lautstark kund.
Dabei erreichte seine Protestarie ungeahnte Tonhöhen und –tiefen.
Über Stunden ließ Klein-Amadeus keinen Zweifel daran, was er von der Schlafbox hielt.
Jetzt war mein Durchhaltevermögen gefragt, denn natürlich durfte ich mein Hundekind nicht für seine Lautäußerungen belohnen, indem ich die Tür der Box öffnete und ihn herausließ – da hätte ich gleich am Beginn unseres Zusammenlebens seinen Respekt verloren – und das wollte ich natürlich auf gar keinen Fall.
Schließlich beruhigte sich mein Hundekind auch erwartungsgemäß, und der Rest der Nacht verlief friedlich.
In den kommenden Nächten wurden die Protestarien aufgrund mangelnder Erfolgsaussichten immer kürzer und hörten schließlich ganz auf.
Ein paar Wochen später konnte ich mich schon so weit auf mein Hundekind verlassen, dass wir die ungeliebte Box durch ein Körbchen ersetzen konnten – und Amadeus enttäuschte mich nicht.
Von da an genossen wir unsere gemeinsamen Nächte in Ruhe und Frieden und ohne störende Gitterstäbe.
Die Etablierung von Hausmanieren war dank vielfältigen Spielzeugangebots und regelmäßiger Beschäftigung kein Problem.
Stubenrein war Amadeus vom ersten Tag an.
Jedes Hörzeichen und jede Führaufgabe erlernte mein Traumhund ausnahmslos mit großer Freude und führte seine Führaufgaben sein ganzes Leben lang bis zu seinem letzten Tag mit ganzer Hingabe und vollem Einsatz aus.
Jetzt möchte ich meinen Lebenshund aber gerne selbst zu Wort kommen lassen.
Hier ist das Interview, das Amadeus im Alter von 2 Jahren nach hervorragend bestandener staatlicher Assistenzhundeprüfung den Medien gegeben hat:
Ein herzliches „Begrüßungs-WUFF!“, liebe Leute!
Darf ich mich vorstellen?
Mein Name ist „Amadeus“, und ich bin ein Weißer Schweizer Schäferhund.
Hauptberuflich bin ich als Blindenführhund für mein Herrchen Wolfgang Niegelhell tätig, aber ich habe auch noch ein paar Nebenjobs, von denen ich euch später erzählen werde.
Vor 2 Jahren hat mich Wolfgang zum ersten Mal im Arm gehalten – es war bei uns beiden Liebe auf den ersten Blick. An Wolfgangs Seite durfte ich die Welt erobern.
Hausmanieren und „Sitz-Fuss-Platz“ wurden mir sehr schnell langweilig, und so durfte ich noch im zarten Welpenalter spielerisch die Richtungshörzeichen sowie „Such Bank“ und „Such Tür“ erlernen.
„Such Bank“ ist noch heute meine liebste Führaufgabe, und ich kann mit Stolz behaupten, dass ich – falls nötig – an jedem erdenklichen Ort eine Sitzgelegenheit für Wolfgang finde!
Wolfgang und ich waren von Anfang an ein eingeschworenes Team, und ich habe mir große Mühe gegeben, jede der vielen verantwortungsvollen Aufgaben, die ein Führhund hat, möglichst schnell zu erlernen.
So waren die Basics dann auch sehr schnell abgehakt, und ich durfte sehr bald immer mehr Fleißaufgaben übernehmen:
Vorführungen bei den „Projekt Leben“ Workshops in Schulen, Universitäten und Kindergärten, Begleitung auf die Konzertbühnen und beim Joggen, Apportieren von Gebrauchsgegenständen, Laut geben auf Kommando usw.
Im Hundesport haben Wolfgang und ich sogar schon die BGH 3-Prüfung, die höchste Ausbildungsstufe im Begleithundesport, absolviert.
Apropo Prüfung: Die staatliche Blindenführhunde-Teambeurteilung vor der Kommission des Messerli-Forschungsinstitutes der Veterinärmedizinischen Universität Wien habe ich mit Auszeichnung bestanden!!
Nach 1,5 Stunden Wegstrecke in der Grazer Innenstadt mit Hauptbahnhof, unzähligen Zebrastreifen, Ampeln, Seiten- und Höhenhindernissen, Straßenbahnfahrt und Gehorsamsübungen im Hundepark war mein geliebtes Herrchen fix und foxi, aber ich war gerade erst richtig warm geworden und ein bisschen enttäuscht, weil ich nicht noch mehr von meinem Können zeigen durfte…
In meiner Freizeit tobe ich natürlich auch sehr gerne mit meinen Hundekumpels und lasse beim Spielen am liebsten leere Plastikflaschen mit lautem „Peng!“ zerplatzen.
Jetzt habe ich in Heiligenkreuz am Waasen eine wunderschöne neue Hundehütte bekommen – naja, eigentlich ist es Wolfgangs neues Haus, aber er ist sehr nett und teilt es mit mir!
Wolfgang freut sich, weil er in seinen barrierefrei gestalteten Räumen nicht mehr über Stufen stolpert, und ich freue mich über meinen eigenen Garten!
Ab jetzt ist Wolfgang mit mir jeden Tag in seinem schönen Heimatort Heiligenkreuz unterwegs – zum Einkaufen, Eis essen oder Freunde treffen – deswegen hier an dieser Stelle eine groooße BITTE von mir an Euch:
Lenkt mich nicht ab, wenn ich in meinem weißen Führgeschirr für Wolfgang arbeite und ihm den Weg zeige!
Ich erfülle meine Führaufgabe mit großer Freude aber auch Konzentration, denn ich möchte mein geliebtes Herrchen sicher durch den Straßenverkehr leiten.
So könnt ihr mir bei meiner Führarbeit helfen:
- Bitte nicht ungefragt streicheln!!
- Bitte NIEMALS füttern!!
- Habt ihr einen eigenen Hund, so ruft ihn bitte „Bei Fuß“ und umgeht uns so weit wie möglich, denn im Führgeschirr darf ich nicht spielen, sondern muss auf Wolfgang aufpassen, damit er nicht in Gefahr gerät!!
Darüber freuen wir uns:
- Wolfgang und ich freuen uns immer über einen netten Gruß und einen kleinen Plausch! Bitte habt ein wenig Geduld, vielleicht dauert es ein bisschen, bis wir euch zurückgrüßen können, wenn wir gerade eine Straße überqueren oder ein Hindernis umrunden müssen.
- Liebe Kinder, gerne könnt ihr mein Herrchen Wolfgang alles fragen, was ihr wissen möchtet, wenn ihr ihn trefft. Wenn ihr wollt, kommen Wolfgang und ich euch auch in der Schule besuchen, und Wolfgang erzählt euch alles über sein Leben und zeigt euch viele Blindenhilfsmittel – natürlich bin ich auch dabei!
Ich freue mich ja immer riesig, wenn Wolfgang mit mir eine Schule besucht, weil ich da auch immer etwas von meinem Können zeigen darf – Treppen und Türen anzeigen zum Beispiel oder die Geldbörse apportieren – und die Kinder über meine Fähigkeiten so erstaunt und begeistert sind.
Wolfgang nennt das übrigens „Projekt Leben“.
So, jetzt aber genug geplaudert für heute – wahrscheinlich habe ich schon total überzogen, wie mein Herrchen bei seinen Konzerten!
Haltet die Ohren steif, ein herzliches „WuffWuff“, Pfotenschüttler und ein dickes DANKESCHÖN für eure Rücksichtnahme!!!
Euer Blindenführhund „AMADEUS“
***
Amadeus‘ 1. Schnee
An einem Tag im Dezember 2013, knapp vor Weihnachten, stand ich morgens auf.
Während im Radio „Last Christmas“ lief, genoss ich mein Frühstück und ganz besonders meinen Kaffee.
Ich freute mich schon auf das Treffen mit Cornelia und Ferdinand.
Amadeus lag mir zu Füßen, und ich musste wieder einmal eine seiner großen Vorderpfoten halten.
Es klingelte an der Wohnungstür.
Ich öffnete, und Cornelia und Ferdinand waren da.
Sie holten uns zum gemeinsamen Hundespaziergang ab.
Cornelia war sehr gut drauf.
Sie teilte mir mit, dass es in der Nacht zu schneien begonnen hatte und es auch jetzt noch immer weiter schneite.
Das hob meine gute Stimmung noch mehr, und Amadeus und ich waren schon ganz aufgeregt – wir wollten endlich hinaus ins Freie!
Vor der Wohnungstür spürten wir schon die Schneeflocken.
Es roch herrlich nach Schnee!
Und dann ab ins Auto, und los ging es!
Wir fuhren zu unserem Lieblingsspazierweg, hielten an einer tief verschneiten Wiese, und dann durften die Hunde raus.
Winterwetter ist ja nicht gerade Ferdinands Sache.
Aber er stand seinem Kumpel wacker bei, als dieser seinen ersten Schnee erlebte.
Amadeus lief ein kurzes Stück in die Wiese und blieb auf einmal abrupt stehen.
Er schaute zurück und wunderte sich: Da waren auf einmal Löcher, die zuvor noch nicht da gewesen waren!
Er ging wieder ein paar Schritte, blieb wieder stehen und schaute zurück.
Noch mehr Löcher – Hmmm!
Er lief wieder ein paar Schritte, blieb wieder stehen und wollte es diesmal ganz genau wissen.
Er lief zurück zum Ausgangspunkt, ging wieder denselben Weg und starrte ausgiebig in jedes Loch.
Dann endlich erkannte er, dass diese Löcher seine eigenen Pfotenspuren waren.
Die große Liebe zum Schnee war geboren, und diese Liebe hielt sein ganzes Leben.
Wir lachten, wälzten uns im Schnee, liefen voll Übermut durch die Wiese, und die Schneeflocken verfingen sich in meinen Haaren und in Amadeus‘ Fell.
Es war einfach Glück hoch 1.000.
Wenn ich heute an diese wundervollen Momente denke, muss ich schmunzeln.
Und manchmal läuft auch eine Träne über meine Wange.
***
Mit Amadeus zum Supertalent
Wie viele kannte auch ich die RTL-TV-Show „Das Supertalent“ mit Chefjuror Dieter Bohlen.
Talente aller Sparten durften sich beweisen.
Ich verfolgte die Show und hörte natürlich auch die Kommentare von Dieter Bohlen.
Obwohl er im Grunde genommen meistens recht hatte, fand ich seine Sprüche schon ziemlich bissig, und so mancher Kandidat tat mir wirklich leid.
Trotzdem reifte in meinem Kopf der Gedanke, die Herausforderung eines Auftritts vor Dieter Bohlen anzunehmen.
Mir war natürlich klar, dass ich mich der Gefahr aussetzte, zu einem von Dieters Opfern in der Show zu werden.
Wenn ich einen Fehler machte, würde er mich verbal zerlegen, und ich glaube, dass ich dann für längere Zeit nirgendwo in der Öffentlichkeit mehr hätte auftreten können.
Denn jeder würde über mich lachen.
Als ich aus den Medien erfuhr, dass das „Supertalent“-Casting auch in Österreich stattfinden würde, war es soweit:
Im Juni 2014 bewarb ich mich für das Casting in Linz.
Cornelia half mir beim Performance-Training für die Bühne, damit ich eine gute Figur machte.
Sie sagte zu mir: „Sollte es nicht klappen, mach dir nichts draus – es ist nur ein Spiel, und es kommt zum größten Teil nicht darauf an, wie gut du Panflöte spielst!“
Als wir vor Ort waren, standen schon hunderte BewerberInnen vor den Toren der Halle.
Helga, eine Redakteurin von Vera Russwurm, die wir schon vom „Vera“-Sendungsdreh vor einigen Jahren kannten, empfing uns.
Sie ermöglichte uns, dass wir die Halle durch einen speziellen Eingang betreten durften.
Ich folgte ihr mit Amadeus, und Helga führte uns in einen speziellen, abgetrennten Bereich.
Dort erfuhr ich, dass wir auch gar nicht lange warten mussten, bis wir an der Reihe waren.
Als wir den Wartebereich vor dem Castingraum betraten, spürte ich alle Blicke auf uns gerichtet – naja, eigentlich auf Amadeus!
Ich nahm Platz, Amadeus legte sich neben mich, und ich bereitete mich mental vor.
Es dauerte nicht lange, und wir wurden aufgerufen.
Mein Herz begann schneller zu schlagen, und ich sagte mir:
„Wolfi, ganz ruhig bleiben!“
Wir betraten ganz cool die Bühne.
Da zeigte sich, wie wichtig das Training mit Cornelia gewesen war, denn es half mir, ruhig zu bleiben, und jegliche Nervosität verschwand.
Ich stellte Amadeus und mich vor und spielte das weltbekannte Panflötenstück „Der Einsame Hirte“.
Danach musste ich kurz aus meinem Leben erzählen und einige Fragen beantworten.
Dann war es auch schon vorbei.
Amadeus setzte sich bei Fuß, und wir verabschiedeten uns artig.
Ich mit „Servus“ und Amadeus mit einem „Wauwau“.
Dann verließen wir elegant die Bühne.
Es war ein toller Auftritt gewesen.
Jetzt lag es nicht mehr an uns, wie es weiterging.
Die Anspannung fiel von uns ab, und gelöst verließen wir die Halle.
Nach ca. einem Monat geschah das Unglaubliche:
Die „Supertalent“-Redaktion meldete sich bei uns!
Cornelia rief mich ganz aufgeregt an, und berichtete mir, dass ich es in die Sendung geschafft hatte!
Ich fragte: „Was, wirklich? Das kann ich ja gar nicht glauben!“
Der Aufzeichnungstermin war der 15. August, Flüge und Hotel waren schon gebucht.
Neben der Freude wurde mir auch bewusst, welchem Druck ich mich da jetzt aussetzte.
Ich begann mich mental mit autogenem Training auf diesen besonderen Auftritt vorzubereiten.
Ich versuchte, nicht an Dieter Bohlen zu denken, sondern stellte mir vor, wie schön dieser Auftritt sein würde.
Wir wollten auf die Reise gut vorbereitet sein, und so trainierten wir mit Amadeus auf dem Flughafengelände Graz-Thalerhof.
Und wie immer, wenn es etwas Neues zu lernen gab, war Amadeus 100prozentig bei der Sache.
Er lernte sehr schnell, war immer aufmerksam, und man sah ihm an, wieviel Spaß er dabei hatte.
Cornelia gab uns Anweisungen, und wir eroberten das Flughafengelände.
Amadeus fand schnell den richtigen Schalter, wo wir unsere Flugtickets bekamen.
Natürlich trainierten wir auch den Sicherheitscheck.
Das gesamte Flughafenpersonal machte bei dem Training mit Freude mit und war von Amadeus‘ Führleistung begeistert.
Zur Belohnung gab es viele Streicheleinheiten und natürlich auch seine geliebten Keksi.
Danach gingen wir ins Flughafenrestaurant, wo mir Amadeus sofort den ersten freien Sitzplatz zeigte.
Ich brauchte jetzt einen Kaffee.
Auch Cornelia war von unserer Leistung begeistert.
Die Reise konnte kommen!
Dann war er da, der Tag der Abreise.
Wir fuhren zum Flugplatz, und alles klappte genauso, wie wir es trainiert hatten.
Aufregend war der Sicherheitscheck.
Als wir an der Schleuse ankamen, musste ich meine Metallgegenstände in einen Korb legen.
Der Sicherheitsbeamte führte mich durch den Metalldetektor.
Amadeus musste davor warten.
Ich sagte: „Amadeus, Sitz und Bleib!“
Dann ging ich mit dem Beamten durch die Schleuse.
Amadeus setzte sich hin, richtete sich zu seiner vollen Größe auf, spitzte die Ohren und ließ mich nicht aus den Augen.
Als der Sicherheitsbeamte hinter dem Metalldetektor meinen Körper abtastete, war Amadeus besonders aufmerksam, und wir spürten seine Präsenz, so ungefähr nach dem Motto:
„Du, mach‘ ja nichts Böses mit meinem Herrchen!“
Als der Flughafenbeamte und ich die vorgeschriebene Prozedur hinter uns gebracht hatten, rief ich Amadeus.
Er kam durch die Schleuse direkt auf mich zu, und alle Passagiere bewunderten uns.
Am anderen Ende der Schleuse erwartete uns schon ein Flugbegleiter.
Er führte uns zum Flugzeug, und wir durften als erste den Passagierraum betreten.
Wir setzten uns auf unsere Plätze und harrten der Dinge, die da kommen sollten.
Wie würde Amadeus sich das erste Mal im Flugzeug verhalten?
Toll ist, dass Blindenführhunde und andere Assistenzhunde in der Passagierkabine mitfliegen dürfen.
Als die anderen Passagiere das Flugzeug betraten und an uns vorbeigingen, hielten alle kurz an und bewunderten Amadeus.
Auch hatte er die Herzen der FlugbegleiterInnen im Sturm gewonnen.
Wir wurden richtig verwöhnt, und wir genossen es auch!
Ab ging es Richtung Frankfurt!
Die Luken wurden geschlossen, und wir rollten Richtung Startbahn.
Die Turbinen fuhren hoch, wir hoben ab, und bald waren wir über den Wolken.
Während des ganzen Startvorgangs lag Amadeus cool zu meinen Füßen, und ich hielt seine Pfote.
Die Stewardess war begeistert, und ich hörte, wie sie sagte:
„Mein Gott, ist der süß!“
Und bald darauf kam sie auch zu mir und fragte mich, ob sie Amadeus streicheln durfte.
Natürlich brachte ich wieder meinen Spruch an:
„Ja, Sie dürfen ihn schon streicheln! Aber Sie müssen die Streichelregeln einhalten!“
Darauf fragte sie mich, um welche Regeln es sich handle.
Ich sagte:
„Ganz einfach! Zuerst den Herrn und dann den Hund!“
Wir lachten gemeinsam, und Berührungsängste entstanden erst gar nicht.
Als wir in Frankfurt gelandet waren, wartete schon eine nette Dame vom Flughafenpersonal auf uns.
Sie führte uns zum Bus, der uns über das riesige Flughafengelände kutschierte.
Cornelia beschrieb mir den Flughafen – unglaublich, wie groß der ist!
Als wir die Ankunftshalle betraten, spürte ich sofort die unglaubliche Dimension.
Ich hörte tausende Menschen sprechen.
Es herrschte ein Treiben wie auf einem großen Ameisenhaufen.
Das Training zu Hause hatte sich ausgezahlt, denn Amadeus folgte aufmerksam und cool der Dame, die für uns die Formalitäten erledigte.
Als wir durch die Halle gingen, wurden wir von vielen Menschen aufmerksam beobachtet.
Ich freute mich sehr darüber, denn so konnten wir wieder Berührungsängste abbauen.
Auch in Frankfurt war das Flughafenpersonal von Amadeus‘ Führleistungen begeistert.
Wir verabschiedeten uns herzlich und verließen die Ankunftshalle.
Vor der Halle wurden wir schon von Christian, einem KandidatInnenbetreuer der „Supertalent“-Redaktion, erwartet, der uns nach Wiesbaden ins Hotel brachte.
Während der Fahrt informierte er uns, über den Ablaufplan des nächsten Tages.
Im Hotel angekommen checkten wir ein und bezogen unsere Zimmer.
Ich erkundete mit Amadeus das schöne Zimmer.
Er zeigte mir das Bett, die Couch, die Garderobe, das Badezimmer und natürlich die Zimmertür.
Dann gab es natürlich zuerst Futter für Amadeus.
Cornelia sagte zu mir: „Nachdem alles so gut gelaufen ist, könnten wir doch in die Innenstadt essen gehen!“
Mir gefiel die Idee sofort sehr gut, und wir machten uns auf den Weg.
Wir verließen das Hotel und erkundeten zu Fuß die Stadt.
Amadeus durfte wieder zeigen, was er drauf hatte.
Nie hätte ich gedacht, dass wir uns in einer völlig fremden Stadt so unbeschwert bewegen könnten.
In der Fußgängerzone fanden wir ein nettes kleines Lokal mit Gastgarten.
Wir fanden bald ein nettes Plätzchen und ließen uns nieder.
Ich konnte hören, was sich in der Umgebung abspielte.
Der Kellner brachte uns die Speisekarte, und Cornelia las mir die Karte vor.
Bald hatten wir ein gutes Gericht gefunden und bestellt.
Amadeus bekam eine große Schüssel voll Wasser.
Er schlabberte genüsslich und erntete natürlich wieder bewundernde Blicke.
Beim Essen sprachen wir darüber, wie es uns wohl am nächsten Tag ergehen würde.
Gut gelaunt kehrten wir zurück ins Hotel und warteten auf den nächsten spannenden Tag.
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, spürte ich schon die Luft um mich vibrieren, und jede Faser meines Körpers war getränkt von Adrenalin.
Man konnte die Aufregung regelrecht riechen.
Auch Amadeus wusste instinktiv, dass ein ganz besonderer Tag auf uns wartete.
Er spürte meine Aufregung, kam zu mir, stupste mich mit seiner Schnauze an und wollte von mir gekrault werden.
So beruhigte ich mich wieder ein wenig und kam langsam runter.
Nun hieß es raus aus dem Bett, ab ins Bad, Amadeus füttern und ab zum Frühstück.
Nach einem Frühstück mit allem „pipapo“, welches keine Wünsche offen ließ, warteten wir gut gelaunt auf Christian. Schnell noch einen Kaffee und dann hörten wir schon die fröhliche Stimme von Christian.
Aufmerksam fragte er uns: „Ist alles o.k.?“
Als wir das bejahten brachen wir auf.
Amadeus, zum Ausgang!
Gezielt gingen wir beide zum Ausgang, beobachtet von staunenden Hotelgästen.
Noch ein schnelles, fröhliches „Guten Morgen!“ an die Gäste, und schon waren wir draußen vor dem Hotel.
Draußen vermischten sich die Großstadtgeräusche mit meiner Aufregung.
Meine Erwartungen an die „Supertalent“-Teilnahme hatte ich bewusst nicht hoch geschraubt, und trotzdem wurde langsam mein Puls immer schneller.
Jetzt gab es wirklich kein Zurück mehr.
Amadeus spürte das, lehnte sich an mich und gab mir Sicherheit und Zuversicht. Gemeinsam gingen wir zum Auto.
Christian verlud unsere Sachen, wir stiegen ein und fuhren zur Sendungslocation, dem Staatstheater Wiesbaden.
Als wir angekommen waren, ich die Autotür öffnete und ausstieg, überwältigten uns die Dimensionen dieses Theaters.
Es hatte schon was, das war mir sofort klar.
Cornelia beschrieb mir in allen Details, wie dieses eindrucksvolle Gebäude aussah.
Ehrfurchtsvoll blieben wir einen Augenblick lang stehen, nahmen die Atmosphäre in uns auf und ließen sie auf uns wirken.
Cornelia sagte mir noch, dass mein spezielles Outfit perfekt zu diesem Gebäude passte.
Ich war in schneeweiße Reiterhosen und die dazu passenden schwarzen Reiterstiefel, ein wundervolles Hemd mit Rüschenjabot und einen strahlend blauen Gehrock gekleidet.
Ich fühlte mich wie ein Adeliger.
Mit Amadeus an meiner Seite ergab das ein cooles harmonisches Bild und fühlte sich gut an.
Christian packte unsere Sachen aus, ging vor, und wir folgten ihm auf dem Fuß.
Als wir im Theater waren, beeindruckten wieder die unglaublichen Dimensionen, und ich hörte in meinem Kopf Shakespeares Klassiker „Hamlet“ und „Romeo und Julia“.
Im Foyer füllte ich gemeinsam mit Cornelia die Anmeldeformulare aus.
Gleich danach waren schon 2 Betreuer bei uns, und wir wurden schon mit einem Mikrophon bestückt.
Ein Betreuer sagte zu uns, dass das Kamera-Team gerne Außenaufnahmen machen wollte.
Ob ich das machen würde.
Kaum im Theater waren wir schon wieder draußen, gefolgt von 2 Kameras.
Ich sagte noch zu Cornelia:
„Ich glaube, wir haben das richtige Outfit gewählt.
Wir fallen auf, sonst würden sie das nicht machen wollen.“
Amadeus eroberte in wenigen Sekunden die Herzen der Crew.
Als wir vor dem Theater waren, sollten wir einen Säulengang entlang flanieren.
Was soll ich sagen, Amadeus hat das so super gemacht!
Das Unglaubliche war, dass wir binnen weniger Minuten von hunderten Menschen umringt waren.
Alle beobachteten uns, und wieder hatten wir die Herzen erobert.
Als wir stehen blieben und den Menschen zuwinkten, ernteten wir großen Applaus. Auch wenn es kaum zu glauben ist, wir mussten jede Szene nur einmal drehen.
Auch da zeigte sich, wie traumhaft Amadeus und ich als Team arbeiteten.
Den Spaß, den wir dabei hatten, sah man uns an.
Dieses Erlebnis gab mir schon ein gutes Gefühl für meinen Auftritt und nahm mir viel von meiner Aufregung und Nervosität.
Nach den Außenaufnahmen gingen wir entspannt wieder ins Theater zum Aufenthaltsraum.
Dort warteten wir mit den anderen KandidatInnen auf unseren Auftritt.
Als wir auf unseren Plätzen waren und uns über die Aufnahmen unterhielten, lag Amadeus cool neben mir und kaute genüsslich auf seinem Knochen.
Wir lernten viele KünstlerInnen kennen, und Amadeus bekam viele bewundernde Blicke.
Auch wurde ich von vielen gefragt, wie es ist, mit einem Blindenführhund zu leben.
Alle waren interessiert und fasziniert.
Amadeus hatte es wieder einmal geschafft, Brücken zu bauen.
Berührungsängste gab es auf einmal nicht mehr.
Nach einiger Zeit kam wieder ein Betreuer zu uns und teilte uns mit, dass das Kamera-Team ein Interview mit mir drehen wollte.
Amadeus führte mich zu unserem zugewiesenen Platz.
Ich erzählte meine Lebensgeschichte und natürlich auch vom Zusammenleben mit meinem Seelengefährten Amadeus.
Meine Musik durfte auch nicht zu kurz kommen.
Wie die Musik mir Trost, Kraft und Zuversicht gibt, wie sie Licht in meine Dunkelheit bringt und ich mit ihr ein neues Leben aufbauen konnte.
Es dauerte dann gar nicht lang, und ich hörte, wie mein Name aufgerufen wurde.
Wieder kam unser Betreuer und führte uns in den nächsten Raum.
Es war ein größeres Büro.
Dort wurden wir wieder gefragt, wie es uns ging und ob alles o.k. sei.
Ich antwortete: „Alles klar!“
In Gedanken war ich schon auf der Bühne.
Große Verwunderung machte sich in mir breit, als sich eine Psychologin bei mir vorstellte und mit mir sprechen wollte.
Im ersten Moment dachte ich, ich wäre im falschen Film.
Hmmm, ich war doch beim RTL-Supertalent und nicht in einer psychiatrischen Klinik zur Therapie!?
Die Psychologin erkannte sofort, dass ich gut drauf war und sagte zu mir: „Ich merke schon, dass ich mir um Sie keine Sorgen machen muss.“
Viele Fragezeichen bildeten sich in meinem Kopf, und erst später sollte ich erfahren, was es mit der Psychologin auf sich hatte.
Bevor es in den Backstage-Bereich ging, wo ich auf meinen Auftritt warten sollte, erfuhr ich, dass der Ablauf meines Bühnenaufgangs geändert werden sollte.
Ich sollte mit Amadeus allein durch den Tunnel auf die Bühne gehen.
Ein Kameramann würde uns rückwärtsgehend filmen.
Ich besprach die neue Situation mit Cornelia.
Amadeus war ja zu diesem Zeitpunkt erst ein Jahr alt und hatte seine Führausbildung noch nicht abgeschlossen.
Ob er diese große Herausforderung schon meistern konnte?
Cornelia teilte dem Betreuer mit, dass sie sich am Ende des Tunnels hinter den Vorhang stellen würde.
Sollte etwas schief gehen, hätte sie jederzeit die Möglichkeit einzugreifen.
Wir hofften, dass sich Amadeus trotz seiner Jugend nicht ablenken lassen würde.
Die Sorge war unbegründet, denn Bühnenauf -und -abgang verliefen wie im Lehrbuch. Aber auch wenn etwas schief gegangen wäre, wäre ich Amadeus sicher niemals böse gewesen.
Ich war besonders angetan, wie aufmerksam mein Führhund sich um mich kümmerte.
Jetzt war es endlich so weit.
Los ging es Richtung Bühne.
Ich atmete noch einmal tief durch und sagte zu mir:
„Ich bin cool und gelassen und lasse mich durch nichts und niemanden aus der Ruhe bringen.“
Aufregung und Nervosität verbannte ich aus meinem Kopf.
Ich konzentrierte mich auf meine Musik und Amadeus, und dann gingen wir los.
In langsamem Schritt gingen wir auf den Tunnel zu, wo der Kameramann auf uns wartete.
Als ich seine Schritte hörte, folgten wir ihm durch den Tunnel Richtung Bühne.
Als wir den ersten Schritt auf die Bühne setzten, brandete uns schon tosender Applaus entgegen.
Meine Erleichterung war groß.
Amadeus hatte sich nicht ablenken lassen.
Super gemacht, Amadeus!
Wir gingen gezielt auf unsere Matte, positionierten uns und wurden gleich herzlich von der Jury begrüßt.
Dieter sagte gleich scherzhaft:
„Du willst es ja ganz genau wissen!
Du weißt ja, ein Hund hat schon mal gewonnen und auch eine Panflöte!“
Ich sagte:
„Ob ich den Bewerb gewinnen kann, liegt nicht nur in meiner Hand.
Ich werde von Herzen und mit jeder Faser meines Körpers das Beste geben.
Für mich habe ich schon gewonnen, denn dass ich den Mut aufgebracht habe, mich zu bewerben und heute hier auf dieser Wahnsinnsbühne stehen darf , ist für mich schon viel mehr, als ich mir erträumt habe.“
Da hatte ich schon die Sympathie des Publikums gewonnen.
Die ZuschauerInnen applaudierten herzlich, und ich fühlte, wie ich mit ihnen eins wurde.
Ich stellte Amadeus und mich vor, sprach kurz über mein Leben, machte hier und da einen Scherz, beantwortete die Fragen der Jury, und irgendwie kamen die Worte wie von selbst.
Als Amadeus sich an mich schmiegte und zu mir hoch blickte, erwiderte ich seinen Blick.
Auch wenn ich seine Augen nicht sehen konnte, so spürte ich es immer, wenn er mich ansah.
Ich lächelte ihm zu, und er begann, mit dem Schwanz zu wedeln.
Dann war endgültig der Bann gebrochen, und die Begeisterung des Publikums und der Jury kannte keine Grenzen.
Ich zählte langsam die Rohre bis zum Anfangston der James Last-Komposition „Der Einsame Hirte“, setzte die Panflöte an die Lippen, dann setzte auch schon die Begleitmusik ein.
Plötzlich entfaltete sich ein zauberhafter Moment, und das traumhafte Wiesbadener Theater wurde von den Klängen meiner Panflöte erfüllt.
Ich fühlte mich unendlich frei, getragen von der Musik, spürte Amadeus an meiner Seite und ließ meinen Gefühlen freien Lauf.
Sie formten die Töne, und der Klang meiner Panflöte brachte die Seelen des Publikums zum Leuchten.
Das gab mir ungeheuren Auftrieb, denn nach nicht einmal 5 Takten begann das Publikum zu jubeln und zu applaudieren bis zum Ende des Stückes.
Als ich mich dann zu Amadeus kniete, ihn streichelte und lobte und er seine Pfote in meine Hand legte – quasi „High Five! Wir haben es geschafft!“ – kannte der Jubel kein Ende.
Irgendwie kam es mir vor, als wäre ich in einem Traum.
Ich konnte es eigentlich kaum glauben, dass dieser Moment Realität war.
Meine innere Stimme sagte zu mir:
„Wolfgang, das ist Wirklichkeit, hörst du nicht, wie die Zuschauer jubeln!“
Nach minutenlangem Jubel und Applaus vom Publikum wurde es noch einmal kurz spannend:
Jetzt kam die Bewertung der Jury.
Damals saßen 4 JurorInnen in der Jury:
Dieter Bohlen, Guido Maria Kretschmer, Lena Gehrke und natürlich Bruce Darnell.
Bruce fing mit der Bewertung an.
Er sagte mir unter Tränen:
„Deine Musik ist so gefühlvoll, und du hast mich wirklich abgeholt.
Und der schöne weiße Hund an deiner Seite!
Ich konnte den Blick nicht von euch nehmen.
Von mir bekommst du natürlich ein Ja!“
Dann kam die Bewertung von Lena Gehrke:
„Mich hast du auch abgeholt.
Deine Musik bringt die Menschen zum Schweben.
Du hast eine ganz tolle Ausstrahlung.
Ich will dich noch einmal hören, und du bekommst auch von mir ein Ja!“
Dann kam die Bewertung von Guido Maria Kretschmer:
„Deine Musik hat auch mein Herz berührt, und absolut cool finde ich dein Outfit!
Die wundervolle Harmonie, die zwischen dir und deinem schönen Hund besteht, macht euch zu etwas ganz Besonderem.
Von mir bekommst du auch ein Ja, das ich dir gerne gebe!“
Jetzt kam noch die Bewertung von Dieter.
Kurz wurde mein Puls schneller, und die Anspannung war kaum zu ertragen!
„Du hast mich auch gepackt.
Wir haben das Stück ja schon öfter gehört, aber so gefühlvoll wie du es gespielt hast, habe ich es noch nie gehört.
Wirklich super, von mir bekommst du auch ein Ja!“
Nach der Bewertung jubelte mir das Publikum wieder zu.
Ich konnte es einfach nicht fassen.
Tatsächlich 4 mal Ja!
Dann geschah wieder etwas, mit dem ich nicht gerechnet hatte.
Die Jury kam geschlossen zu mir auf die Bühne.
Wir schüttelten uns die Hände, und Dieter hängte mir den Supertalent-Stern um den Hals, und vom Supermodel Lena Gehrke heimste ich noch 2 Küsschen ein.
Wir unterhielten uns ca. 20 Minuten auf der Bühne!
Lena setzte sich zu Amadeus, und er genoss ihre Streicheleinheiten.
Als Bruce Darnell Amadeus streichelte, sagte ich zum Publikum:
„Ist das nicht ein cooles Bild – der dunkle Bruce und der schneeweiße Amadeus!“
Das Publikum tobte und schmunzelte.
So gut war ich schon sehr lange nicht mehr drauf gewesen.
Besonders beeindruckte mich, dass Dieter Bohlen keine Berührungsängste kannte.
Er kam sofort auf mich zu, gratulierte mir noch einmal zu meinem Auftritt und wir fingen sofort an zu fachsimpeln.
Er sagte: „Du hast hier aber ein besonderes Instrument!
Ich kenne nur Panflöten, die klein und mickrig aussehen!“
Ich erzählte ihm, dass meine Panflöte von einem sizilianischen Meister gebaut worden war, aus Ebenholz besteht und einen Tonumfang von 4 Oktaven hat.
„Das Besondere an diesem Instrument ist, dass ich darauf dunkle, warme, satte Töne erzeugen kann.
Auch kann ich die Töne sehr weich spielen, wie ein Streicher.“
Dieter sagte:
„Der Klang ist wirklich mega!
Du weißt ja, beim Supertalent hat einmal eine Panflöte gewonnen.
Ich war danach nicht mehr so begeistert, denn es gab im Studio große Schwierigkeiten.
Der Künstler hat viele schräge Töne gespielt, die schwer zu bearbeiten waren.
Bei dir aber habe ich keinen einzigen schrägen Ton gehört!“
Nach diesen Worten quoll mein Künstlerherz über vor Glück.
Jetzt hörte ich es offiziell:
Ich hatte vor Dieter Bohlen bestanden!
Ich glaube man hörte bis nach Hause, wie ein Stein, ja ein ganzes Gebirge von meinem Herzen stürzte.
Der Druck die Anspannung fiel von mir ab, ich fühlte mich leicht wie eine Feder.
Mir war durchaus klar, auf was ich mich mit meiner Teilnahme an der Supertalent-Show eingelassen hatte.
Ich hatte mir vor dem Casting gesagt:
„Wenn du diesen Auftritt vergeigst, dann wirst du zur Lachnummer der Nation!
Wenn Dieter dich mit seinen Sprüchen fertig macht, brauchst du nie wieder öffentlich aufzutreten, dann war‘s das wohl mit deinem musikalischen Weg!“
Dieter und ich unterhielten uns noch angeregt über Gott und die Welt.
Das schönste dabei war, dass meine Blindheit überhaupt keine Rolle spielte.
Bruce kam zu mir, drückte mich, sagte noch einmal:
„Du warst so toll, und es war so schön!“
Wir unterhielten uns alle so gut!
Amadeus genoss die Bewunderung.
Niemand von uns bemerkte, dass schon 20 Minuten vergangen waren.
Als die Jury wieder auf ihren Plätzen war und ich die Bühne schon verlassen wollte, sprach mich Guido noch einmal an:
„Es war so bezaubernd! Ich weiß, auch wenn du es nicht sehen kannst, du hast es sicherlich gespürt, und ich muss es dir einfach sagen, das ganze Publikum und die Jury sind aufgestanden!“
Standing Ovations, obwohl mich niemand vorher gekannt hatte!
Absoluter Wahnsinn!
Unglaublich!
Ich verneigte mich noch einmal vor den ZuschauerInnen.
Amadeus saß links bei Fuß, verabschiedete sich mit einen höflichen „Wauwau“, legte seine Leine in meine Hand und während wir die Bühne verließen, winkte ich dem Publikum noch einmal zu.
Im langsamen Schritt, als ob wir auf Wolken gehen würden, kamen wir zum Tunnel, wo Cornelia schon auf uns wartete.
Kaum im Tunnel, stürmte Cornelia auf uns zu, und wir 3 umarmten uns vor Freude.
Sie rief: „Es war so wunderschön, ich bin so stolz auf euch!“
Amadeus bekam noch ein großes Keksi, und dann gab es schon das nächste Interview. Ich sollte über die Eindrücke von meinem Auftritt erzählen.
Ich antwortete, dass ich es eigentlich noch gar nicht realisieren könne.
So überwältigt war ich, und ich konnte meine Freudentränen nicht mehr zurückhalten. Mein Herz quoll über vor Glück, meine Seele leuchtete hell und klar, und jeder sah es.
Unser Betreuer Christian brachte uns wieder zum Flughafen.
Während der Fahrt sagte ich zu ihm, dass ich nie gedacht hätte, dass ich es in die Sendung schaffen würde.
Er sagte:
„Ich schon!
Ich war dabei, als sie sich die Videos vom Vorcasting angesehen haben.
Ich sagte zu ihnen: Hört doch, wie er spielt!
Ich freue mich sehr für dich, du hast uns alle gerockt!“
Als wir am Flughafen Frankfurt angekommen waren, verabschiedeten wir uns herzlich, nahmen unser Gepäck und betraten die Abflughalle.
Dort wurden wir schon von einer Flughafenmitarbeiterin erwartet.
Am Flughafen herrschte ein unglaublicher Betrieb.
Es vibrierte wie in einen Bienenstock.
Stress und Aufregung waren überall zu spüren.
Menschenmassen fluteten die Hallen.
Ich staunte über die riesige Dimension.
Allein würde ich mich da nie zurechtfinden.
Wie wir später erfuhren, war am Nachmittag ein großes Unwetter über den Flughafen gezogen.
Viele Flüge waren gestrichen worden, wodurch es zu Zeitverzögerungen kam.
Die Flughafenmitarbeiterin führte uns zu einer Lounge, wo wir entspannt auf alles weitere warten. konnten
Wir wurden regelmäßig mit Getränken und Infos versorgt, auch wurde für Amadeus Wasser gebracht.
Die Mitarbeiterin teilte uns mit, dass der Flug nach Graz total überbucht sei, da ein Flug ausgefallen war, dass einige Passagiere in Frankfurt übernachten sollten und ob wir das machen würden.
Ich sagte, dass ich grundsätzlich nichts dagegen hätte, eine Nacht in Frankfurt zu verbringen.
Schließlich ist das eine aufregende Stadt.
Nur hatte ich am nächsten Tag einen Auftritt in Graz.
Und so fragte ich, ob es doch noch möglich wäre, dass wir mitfliegen könnten.
Die Mitarbeiterin verstand das sofort.
Sie musste allerdings mit dem Piloten sprechen und ihn wegen Amadeus um Erlaubnis fragen.
Nach ein paar Minuten brachte sie mir einen Kaffee und sagte, dass sie den Piloten noch nicht erreicht habe.
Sie würde es aber weiter versuchen.
Während ich meinen Kaffee genoss und Amadeus sein Wasser schlabberte, fiel mir auf einmal auf, wie aggressiv und gestresst die übrigen Gäste in der Lounge waren.
Man konnte die Aggression direkt schmecken.
Kein guter Geschmack.
Alle paar Minuten hörte man, wie sich jemand beschwerte und aufregte.
Dabei kann das Personal ja gar nichts für das Wetter!
Ich ließ mich davon nicht beirren, dafür war ich viel zu gut drauf.
Jetzt verstand ich, warum es Außenseiter gibt.
Als die Flughafenmitarbeiterin wieder zu uns kam, teilte sie uns mit, dass wir mitfliegen durften.
Lächelnd sagte ich zu ihr, dass sie ein Schatz sei und wie wundervoll ich es fand, wie sie sich um die Menschen hier kümmerte.
Freudestrahlend sagte sie zu mir:
„Endlich ein positiver Mensch!“
Sie brachte uns zum Flugzeug, führte uns an Bord, und dort verabschiedeten wir uns.
Amadeus bekam noch ein paar Streicheleinheiten.
Wir durften wieder als erste das Flugzeug betreten und wurden von der Stewardess zu unseren Plätzen gebracht.
Ich finde es schön, dass es Menschen gibt, die diese Arbeit mit Freude und Leidenschaft machen.
Nur mithilfe der FlugbegleiterInnen ist es möglich, dass ich als blinder Mensch überhaupt selbständig reisen kann.
Daher werden die Serviceleistungen dieser MitarbeiterInnen für mich nie eine Selbstverständlichkeit sein.
Als wir auf unseren Plätzen waren, rollte sich Amadeus unter meinem Sitz zusammen und kaute entspannt an seinem Kauknochen.
Das Flugzeug war bald bis auf den letzten Platz gefüllt.
Leider hatte ich noch ein kleines Problem mit meinem Instrumentenkoffer.
Ich fand keinen Platz dafür, denn Amadeus nahm den ganzen Platz zu meinen Füßen ein.
Da meldete sich hinter mir ein Mann und teilte mir freundlich mit, dass er und sein Freund während des Fluges gerne auf meine wertvollen Instrumente achten würden.
Meine Erleichterung war sehr groß, und ich bedankte mich herzlich.
Wenn ich mir vorstellte, ich müsste meine geheiligten Instrumente in den Frachtraum verlagern lassen, hätte ich keine ruhige Minute gehabt!
Dann war es Zeit zum Anschnallen, und schon rollten wir zur Startbahn.
Wir rollten an, die Turbinen fuhren hoch, und schon hoben wir ab.
Ein cooles Gefühl, den Start zu erleben.
Abheben und immer höher und höher hinauf bis über die Wolken, wo die Freiheit grenzenlos ist!
Auf einmal hörten wir die Stimme vom Kapitän aus dem Cockpit.
Er begrüßte die Passagiere, wünschte einen guten Flug, und dann hörte ich auf einmal Amadeus‘ Namen.
Der Kapitän sagte, er begrüße heute einen besonderen Fluggast, Amadeus, einen wunderschönen Weißen Schäferhund, der als Blindenführhund sein Herrchen begleite und auf ihn achtgebe.
Alle Passagiere applaudierten, und Amadeus bekam viele bewundernde Blicke.
Wieder einmal hatte er es geschafft, Brücken zu bauen.
Hoch über den Wolken berauscht vor Glück dachte ich noch an meinen tollen Auftritt.
Ich sagte zu Cornelia, dass ich bin schon gespannt sei, wie meine Eltern und Freunde reagieren würden, wenn sie erfuhren, dass ich beim Supertalent war.
Ich hatte nämlich bewusst niemandem davon erzählt, da ich ja nicht wissen konnte, wie mein Abenteuer ausgehen würde.
Wir landeten in Graz und fuhren sofort weiter nach Hause.
Kurz bevor wir ankamen, packte ich noch meinen Supertalent-Stern aus und hängte ihn mir um den Hals.
Hupend fuhren wir die Einfahrt hinauf.
Meine Familie wurde vom Hupkonzert nach draußen gelockt.
Als ich mit dem Stern um den Hals ausstieg und alle überschwänglich begrüßte, wurde es auf einmal ganz leise, und alle betrachteten den Stern.
Ich sagte überglücklich:
„Ihr werdet es nicht glauben: Ich war beim Supertalent!
Ich habe vor Dieter Bohlen bestanden, habe 4mal Ja bekommen und dann auch noch Standing Ovations!“
Darauf stießen wir natürlich mit einen Gläschen Sekt an, und ich erzählte begeistert und überschwänglich von meinen Erlebnissen.
Alle freuten sich sehr für mich.
Ich konnte es eigentlich noch immer nicht glauben, dass ich es tatsächlich geschafft hatte, vor Dieter Bohlen zu bestehen.
Amadeus lag neben mir, und ich spürte seinen Blick, während ich erzählte, wie traumhaft er sich verhalten hatte.
Es war dieser Blick, der mir so oft Sicherheit und Freude brachte.
Es war einfach wundervoll, wie wir gemeinsam die Jury und das Publikum begeisterten und die Herzen des Publikums eroberten.
Heute hängt der Supertalent Stern in meinem Studio in einer Glasvitrine und erinnert mich immer wieder an coole, schöne Momente.
***
Cornelia fragte mich eines Tages, ob ich Lust hätte, mit Amadeus auf den Hundesportplatz zu gehen.
Die Idee gefiel mir sofort, und so nahm Cornelia Kontakt mit Gundi Legenstein auf.
Gundi ist seit vielen Jahrzehnten Obfrau und Cheftrainerin des Hundesportvereins ÖRV Weiz-Krottendorf.
Cornelia vereinbarte mit Gundi einen Schnuppertermin für Amadeus und mich.
Als ich mit Amadeus den weitläufigen Hundesportplatz betrat, spürte ich sofort: Ah, das ist sein Ding!
Und ich freute mich ebenso über die Herausforderung.
Gundi empfing uns herzlich.
Amadeus und ich absolvierten die ersten Übungen abseits der Gruppe, nur um einmal zu checken, wie uns das gefallen würde.
Wir spielten den Kurs nach.
Cornelia gab mir Anweisungen, und Amadeus und ich führten sie aus.
Nach ein paar Minuten war uns klar, dass wir die Begleithundsport-Kurse absolvieren wollten.
Amadeus war ganz happy, dass auch sein „Best Buddy“ Ferdinand beim Kurs dabei sein wollte.
Als die Gruppe Pause machte, gingen wir zu Gundi und fragten, ob wir an ihrem Kurs teilnehmen dürften.
Gundi war sofort begeistert und freute sich sehr über ihre neuen Schüler.
Sie kümmerte sich bei den Kursen immer ganz besonders um uns.
Auch sagte sie mir, wie faszinierend sie es fand, uns bei der Zusammenarbeit zu beobachten.
Besonders schön war es für mich zu erleben, dass es in Gundis Hundesportverein keine Berührungsängste gab und wir immer vollwertig in die Gruppe integriert waren.
Gundi stellte uns der Gruppe vor, und schnell gewannen wir Freunde auf 2 Beinen und 4 Pfoten.
Hochmotiviert schlossen wir uns der Gruppe an, und wir gingen gemeinsam auf die Trainingswiese.
Gundi gab Anweisungen, und wir führten sie aus.
Amadeus zeigte wieder einmal, wie schnell er lernen konnte und wieviel Freude er dabei hatte.
Gemeinsam mit anderen Hunden diese Übungen zu absolvieren, brachte nicht nur viel Spaß sondern war auch wichtig für Amadeus‘ Sozialisierung.
Auch „Best Buddy“ Ferdinand schlug sich super, und so war die erste Kursstunde bald vorbei.
Nach dem Kurs saßen wir noch alle gemütlich beisammen, lachten viel, und zu unseren Füßen lagen entspannt unsere Wauzis.
Während wir uns unterhielten, wanderte meine Hand immer zu Amadeus‘ Kopf.
Ich kraulte ihn, weil er das so liebte.
Er stupste mich mit seiner Pfote an, damit ich sie festhielt.
Ich war so stolz auf ihn.
Die Zeit auf dem Hundesportplatz war für uns immer spannend, aufregend und kurzweilig.
Besonders schön fand ich, dass dort Integration gelebt wurde und meine Blindheit überhaupt keine Rolle spielte.
Die Stunden verflogen, und so war unser erster Kurs bald abgeschlossen und der Tag der Prüfung gekommen.
Die Gruppe traf sich gut gelaunt am Hundesportplatz.
Ein bisschen Nervosität lag in der Luft.
Noch ein paar Erklärungen, und dann ging es schon los.
Jeder fieberte mit und freute sich auch über den Erfolg des anderen.
Jetzt war es soweit: Amadeus und ich wurden aufgerufen.
Wir betraten den Platz.
Ich war noch ein bisschen nervös.
Amadeus hingegen war cool und wedelte vor Freude mit dem Schwanz.
Wir begrüßten den Richter und machten uns startklar.
Amadeus setzte sich bei Fuß, und schon ging es los.
Wir hörten aufmerksam auf die Anweisungen des Richters und führten diese sofort aus.
Geradeaus, Links, Rechts, Langsam, Schnell, Sitz, Fuß, Platz und vieles mehr.
Schmunzeln musste ich, als uns der Richter das Kommando „Geradeaus“ gab.
Während wir geradeaus gingen, hörte ich, wie er sagte:
„Das verstehe ich nicht!
Wenn ich zu dir sage Geradeaus, gehst du schnurgerade!
Wenn ich dieses Kommando den sehenden Hundeführern gebe, gehen die alle schief!“
Noch ein paar Anweisungen, und schon war die Prüfung wieder vorbei.
Ich schüttelte dem Richter die Hand, und Amadeus verabschiedete sich mit einem „WauWau!“.
Wir hatten es wirklich geschafft und schlossen den Kurs mit sehr gutem Erfolg ab.
Ich kniete nieder, wuschelte mit den Händen durch Amadeus‘ Fell.
Er legte seinen Kopf in meine Arme, und ich spürte den Blick seiner treuen Augen, die vor Freude sprühten – ein unglaublich schöner Moment!
Natürlich bekam Amadeus noch ein großes Keksi.
Nach uns beiden kam „Best Buddy“ Ferdinand dran, und auch er schloss die Begleithundeprüfung mit sehr gutem Erfolg ab.
Gundi war stolz auf uns und freute sich über unsere Erfolge.
Begeistert teilten wir ihr mit, dass uns der erste Kurs so gut gefallen hätte, dass wir nun auch die weiteren Begleithundesportkurse absolvieren wollten.
Nach der Prüfung bekamen wir unsere Urkunden, und wir freuten uns schon auf den nächsten Kurs.
Auch die nächsten Begleithundekurse schlossen wir mit sehr großem Erfolg ab.
Auch wenn die Herausforderungen von Kurs zu Kurs immer anspruchsvoller wurden, meisterten Amadeus und sein Patenonkel Ferdinand diese ausgezeichnet.
Es war eine tolle, schöne Zeit, die angefüllt war mit abwechslungsreichen und lustigen Momenten.
Für mich war diese Zeit gut für mein Selbstwertgefühl, und für Amadeus waren die Gruppenkurse wertvolle Sozialisierungsübungen.
Auch schweißten uns die gemeinsamen Erlebnisse als Team noch enger zusammen.
Nachdem wir alle Begleithundeprüfungen so hervorragend geschafft hatten, teilte uns Gundi mit, dass sie quasi als Anerkennung für unsere Leistungen gerne ein lustiges Charity-Hundeturnier zugunsten des Aufbaus unserer „Augen auf Pfoten“ Blindenführhundestiftung veranstalten wollte.
Cornelia und ich waren von der Idee sofort begeistert und begannen sofort, Pläne zu schmieden.
Hund und Herrchen/Frauchen sollten lustige Aufgaben absolvieren, denn der Spaß sollte im Vordergrund stehen.
Zum Abschluss sollte ich über unsere „Augen auf Pfoten“ Stiftungsinitiative sprechen und auf meiner Panflöte spielen, was ich natürlich gerne tat.
Gundis herzliches Engagement motivierte uns zusätzlich, und wir bewarben das Turnier kräftig.
Wir alle waren neugierig, wieviele TeilnehmerInnen wohl kommen würden.
An einem herrlichem Sommertag mit traumhaftem Wetter war es soweit.
Alle TeilnehmerInnen trafen sich auf Gundis Hundesportplatz.
Für Essen und Getränke war gesorgt.
Der Griller war startklar.
Aufgeregt warteten wir auf die TeilnehmerInnen, und es war unfassbar, wieviele gekommen waren.
Nie hätten wir uns das gedacht.
Auch von weither kamen TeilnehmerInnen.
Es war einfach ein traumhafter Tag.
Toll fand ich, dass so viele verschiedene Hunderassen dabei waren, von ganz klein bis riesengroß, und alle waren super drauf und freuten sich auf den Start.
Während des Turniers lernten wir viele Menschen kennen, die wir über unsere Stiftungsinitiative informieren konnten.
Das Interesse war sehr groß.
Es dauerte nicht lange, und Amadeus und ich wurden aufgerufen.
Wir machten uns auf zum Start.
Wir mussten verschiedene Stationen durchlaufen und das auch noch auf Zeit!
Als erstes galt es, einen kurzen Slalom zu absolvieren.
Danach mussten Hund und Herrchen durch einen Tunnel robben.
Dann gerade weiter zu einer Wanne voll Wasser.
Der Hund musste durchs Wasser laufen.
Wenn der Hund sich weigerte, mussten Herrchen oder Frauchen diese Aufgabe übernehmen.
Amadeus strebte geradlinig durchs Wasser, und so musste ich zum Glück diese Aufgabe nicht übernehmen.
War mein Amadeus nicht super?
Danach ging es schnell bei Fuß weiter zur nächsten Station.
Dort musste Amadeus sein Bringholz apportieren – seine Lieblingsaufgabe!
Danach mussten wir ein Stück laufen mit dem Hund freilaufend bei Fuß.
Jetzt noch die letzte Station – der Hund über die Wippe – und dann ab durchs Ziel – geschafft!
Auch Best Buddy Ferdinand absolvierte den Spaßparcours hervorragend, und so landeten beide im Spitzenfeld.
Am Ende des Bewerbs wurden die Sieger ermittelt und die Preise verteilt.
Auch Amadeus und Ferdinand gewannen tolle Preise.
Zum Abschluss verzauberte ich noch Zwei- und Vierbeiner mit meiner Panflöte.
Vor dem letzten Musikstück übergab uns Vereinsobfrau und Turnierorganisatorin Gundi freudestrahlend einen Spendenscheck über 3.000 Euro für unsere Augen auf Pfoten Stiftungsinitiative.
Alle waren begeistert über diese hohe Summe, und ich bedankte mich bei allen, die an dieser schönen und überaus erfolgreichen Aktion beteiligt gewesen waren.
Ich sprach noch kurz über den Augen auf Pfoten Stiftungsaufbau, und dann spielte ich noch ein besonders stimmungsvolles Panflötenstück.
Nach dem offiziellen Ende der Veranstaltung feierten wir ausgelassen, saßen noch lange zusammen, und unsere Vierbeiner lagen entspannt zu unseren Füßen.
Es war ein toller, gelungener, wundervoller Sommertag, der erfüllt war mit viel positiver Energie.
Glückliche Hunde, Herrchen und Frauchen – was kann es Schöneres geben?
Gerne denke ich noch an dieses Charity-Juxturnier zurück.
***
Was meine Seele zum Leuchten brachte und ich an Amadeus so unglaublich faszinierend fand, war seine Aufmerksamkeit mir gegenüber.
Einmal rutschte mir meine gerade erst angefüllte Trinkflasche für das Lauftraining aus den Händen und rollte in das letzte Eck unter dem Küchentisch.
Ich wollte schon selbst unter den Tisch kriechen, da hörte ich, wie Amadeus in das Eck robbte, mit der Vorderpfote die Flasche hervorrollte, mit der Schnauze aufnahm und mir in die Hand legte.
Im ersten Moment war ich fassungslos, ja richtig geflasht, denn er hatte das getan, ohne dass ich ihn dazu aufgefordert hatte.
Genauso geschah es, als mir eines Tages auf der Straße der Schlüsselbund aus der Tasche fiel und ich schon glaubte, dass ich ihn niemals wiederfinden würde.
Amadeus ging von sich aus ein Stück des Weges zurück, fand den Schlüsselbund, hob ihn auf und legte ihn mir direkt in die Hand.
Einmal hob er sogar eine Euromünze auf!
Besonders liebte er es, wenn er mir seine Leine in die Hand legen konnte.
Das war das Besondere an ihm:
Ich musste ihm vieles eigentlich gar nicht beibringen, er machte es von sich aus – aus Liebe zu mir.
Er ließ mich nie aus den Augen.
Wenn ich einmal traurig auf meinem Sofa saß, kam er zu mir, legte sich neben mich, legte seinen Kopf schräg auf meinen Oberschenkel und wedelte mit seinem Schwanz die Traurigkeit aus meinem Herzen.
Wenn ich glücklich und gut drauf war, kam er zu mir, umrundete mich, machte auf lustiger Hund, legte sich auf den Rücken, und ich musste seinen Bauch kraulen, was ich natürlich gerne tat.
Jeden Abend, wenn wir gemeinsam schlafen gingen, wedelte er mit seinem Schwanz immer nur in eine Richtung, nämlich so, dass er mit seinem Schwanz meine Beine umarmen konnte.
Dann ging es ab ins Schlafzimmer.
Er legte sich in sein geliebtes Bettchen, das unmittelbar neben meinem Bett stand, wartete auf sein Gute Nacht Keksi, und dann schliefen wir gemeinsam ein.
Sogar in der Nacht vergewisserte er sich ab und zu, ob es mir gut ging, legte sich danach wieder in sein Bettchen, und wir schliefen bis zum Morgen.
Wenn ich am Morgen aufwachte, stupste er mich schon freudig mit seiner Schnauze an.
Ich kraulte ausgiebig seinen Kopf, und wir begrüßten gemeinsam den neuen Tag.
Wir waren ein unglaublich tolles Team.
Intuitiv wusste der eine, was der andere fühlte.
***
Am Dienstag, dem 15. Februar 2022, ahnte ich noch nicht, wie schnell unsere wundervolle, harmonische, unbeschwerte Zeit zu Ende gehen und meine Welt wieder einmal in Trümmern liegen würde.
Voller Energie und erfüllt von großer Vorfreude auf unseren geplanten „Augen auf Pfoten“ Österreich Walkathon für unsere Blindenführhunde-Stiftungsinitiative wanderten Amadeus und ich 10 km und spielten auf seiner geliebten Wiese mit seinem Balli.
Danach gab es intensive Fellpflege.
Amadeus genoss es immer besonders, wenn ich ihn streichelte und bürstete.
Jedes Mal, wenn ich seinen Kopf in meine Arme nahm, stupste er mit seiner Schnauze meine Nase und lehnte sich erfreut an mich.
Wenn ich heute daran denke, dann scheint mir, dass ich in meinem Innersten vielleicht schon ahnte, was auf uns zukam.
Die Fellpflege dauerte dieses Mal sehr lange, und wir verloren uns in unserer gemeinsamen Zeit.
Am Abend wollte ich Amadeus wie immer füttern.
Da bemerkte ich, dass er sein geliebtes Futter verweigerte, und sein Blick sagte mir, dass er sich nicht gut fühlte.
Ich fürchtete, dass er vielleicht hat beim Freilauf etwas aufgenommen hatte, was ihm nicht gut tat.
Sofort rief ich Cornelia über Facetime an und fragte sie um Rat.
Sie sagte mir, ich solle seinen Bauch abtasten und kontrollieren, ob er gespannt sei.
Nach ihren Anweisungen hielt ich das Handy so, dass sie Amadeus im Blick hatte.
Sein Bauch war tatsächlich angespannt, und Cornelia teilte mir mit, dass sie am nächsten Tag kommen und Amadeus untersuchen würde.
Cornelia kam am nächsten Tag und untersuchte Amadeus sorgfältig.
Auch sie spürte die Verspannung in Amadeus‘ Bauch und behandelte ihn mit Medikamenten. Nach dieser Behandlung war Amadeus wieder gut drauf.
Er war lustig, spielte mit seinen Best Buddy Ferdinand, tobte über die Wiese, stupste mich an und machte mir Spielaufforderungen.
Als wir dann gemeinsam wie an jeden Nachmittag zu Mama Kaffee trinken gingen, war meine Erleichterung sehr groß, und ich freute mich sehr, dass es ihn wieder gut ging.
Am Abend fraß Amadeus wieder mit großem Appetit wie sonst auch immer.
Er liebte doch sein Futter.
Wir saßen dann gemeinsam im Wohnzimmer, Amadeus lag neben mir und schmiegte seinen Kopf an mich.
Um ca. 22 Uhr begann er zu hecheln.
Wir bemerkten, dass er buchstäblich von Minute zur Minute rapide schwächer und schwächer wurde.
Wir gingen mit ihm hinaus zu seiner geliebten Wiese, denn um diese Zeit gingen wir immer Gassi.
Als wir wieder ins Haus gingen, wurde er zusehends immer schwächer.
Cornelia untersuchte ihn sorgfältigst.
Amadeus‘ Schleimhäute wurden immer blasser, sodass wir trotz der späten Stunde beschlossen, sofort in die Tierklinik zu fahren, um der Sache auf den Grund zu gehen.
Wir kündigten der Tierklinik unser Kommen an und machten uns sofort auf den Weg.
Ich hob Amadeus vorsichtig ins Auto, streichelte ihn und redete ihm beruhigend zu.
Er leckte meine Hand, und die Sorge um ihn begann sich meines Herzens zu bemächtigen, und die ersten Tränen begannen meine Seele zu überfluten.
Alles andere wurde in die Bedeutungslosigkeit verdrängt.
Wir wurden in der Tierklinik schon erwartet.
Es wurde ein Röntgenbild angefertigt und eine Blutuntersuchung gemacht.
Wir warteten im Warteraum, und die Tränen begannen wieder zu fließen, und die Finsternis begann mein Herz auszufüllen.
Nach der Untersuchung wurden wir in den Behandlungsraum gerufen.
Cornelia sah sich mit der dortigen Ärztin die Röntgenbilder an, und es war sofort klar, dass viel Flüssigkeit in Amadeus‘ Bauchraum gedrungen war und es nach einem Tumor auf der Milz aussah.
Mehr könne man erst nach einer Ultraschalluntersuchung sagen.
Diese würde man am Morgen um 8:00 h durchführen.
Obwohl ich vor Sorge wie geblendet war, spürte ich, dass Cornelia sofort wusste, wohin die Reise ging, und wir beide hatten große Angst.
Während sie mit ihren Kolleginnen die Röntgenbilder betrachtete, kuschelte sich Amadeus an meine Seite, und ich spürte seinen treuherzigen Blick, der mir sagte, wie sehr er mich liebte.
Er leckte meine Hand.
Er wollte mir sogar in dieser ausweglosen Situation noch Trost geben.
Er rollte sich unter meinem Sessel zusammen, und auch wenn er es mir nicht zeigen wollte, so fühlte ich doch seine Angst.
Er hatte das auch schon als Welpe gemacht.
Immer wenn er sich unsicher fühlte, kam er zu mir, setzte sich oder legte sich unter meinen Sessel und wartete darauf, dass ich ihn streichelte, ihm seine Angst nahm und ihm Sicherheit gab.
Als es hieß, dass Amadeus stationär aufgenommen werden musste, wollte er gar nicht mehr unter meinem Sessel hervorkommen.
Ich streichelte und kraulte ihn, um ihm Zuversicht zu geben.
Es musste sein, denn er wurde immer schwächer.
Es war die einzige Nacht in seinem Leben, die er in einer fremden Umgebung allein verbringen musste.
Die Sorge nahm mir den Atem, und es zerriss mir mein Herz.
Bevor ich schweren Herzens aufstand, hielt ich noch eine Weile seine Pfote.
Amadeus war immer überglücklich, wenn ich seine Pfote hielt.
Er wollte mich nicht verlassen, und ich wollte ihn nicht verlassen.
Benebelt von Sorge und Traurigkeit verließen wir die Klinik und fuhren nach Hause.
Während der Fahrt lief im Radio der Bryan Adams Song „Everything I do, I do it for You“.
Das war zu viel für uns, und meine Seele begann den Schmerz hinauszuschreien.
Total aufgewühlt kamen wir zu Hause an.
Ich legte mich hin und versuchte, ein bisschen zu schlafen.
Doch Verzweiflung, Sorge und Angst ließen das lange nicht zu.
Spät in der Nacht ging ich raus zu unserer Wiese und versuchte, ihm in Gedanken beizustehen.
Als ich wieder ins Haus ging, fand ich eine Fellflocke, die ich streichelte und zu mir ins Bett legte.
Danach konnte ich wenigstens eine Stunde schlafen.
In den folgenden 36 Stunden konnte ich insgesamt nur 2 Stunden schlafen.
Am nächsten Morgen tastete ich mich mit meinem Langstock hinauf zu Mamas Haus.
Kraftlos öffnete ich die Haustür.
Mama und mein Schwesterherz erwarteten mich schon zum Morgenkaffee.
Als sie mein tränenverschleiertes Gesicht sahen, wussten sie schon, dass etwas Schlimmes passiert sein musste.
Ich erzählte ihnen, wie es um Amadeus stand.
Sie umarmten mich, und Mama sagte zu mir, dass ich jetzt versuchen müsse, stark zu sein, auch wenn es nicht leichtfallen würde.
Sie würden für mich da sein.
Wir lagen uns in den Armen, und gemeinsam weinten wir vor Sorge um Amadeus, denn er war ein wichtiger Teil unserer Familie.
Danach fuhr ich mit Cornelia wieder in die Tierklinik.
Ich konnte es kaum erwarten anzukommen, denn ich wusste und spürte, dass Amadeus auf mich wartete. Als wir den Warteraum betraten, hörte ich meinen Amadeus schon nach mir rufen.
Er hatte sofort gecheckt, dass wir da waren.
Da hielt mich nichts mehr zurück, und wir stürmten zum Behandlungsraum.
Da Cornelia auch Tierärztin ist, war das zum guten Glück kein Problem.
Als Amadeus uns sah, kannte seine Freude keine Grenzen. Ich streichelte ihn, hielt seine Pfote und beruhigte ihn, damit die Ultraschalluntersuchung durchgeführt werden konnte.
Es stellte sich sofort heraus, dass die Situation noch viel schlimmer war als zunächst angenommen und dass es keinen Ausweg mehr gab, nicht einmal mehr palliativ.
Das war der Moment, in dem das Licht in meinem Herzen erlosch.
Meine schlimmsten Befürchtungen hatten sich bewahrheitet.
Das raubte mir den Atem, und mein Verstand setzte aus.
Ich klammerte mich verzweifelt an die Hoffnung, auf einen Ausweg.
Beinahe vergaß ich zu atmen, so sehr packte mich der Schmerz, und die Welle der Verzweiflung begann mich gnadenlos zu überrollen.
Amadeus war doch so gut durchtrainiert, war immer gesund gewesen und noch nicht einmal 9 Jahre alt.
Ich hatte immer darauf geachtet, dass er das beste Futter bekam und natürlich auch die tollsten Leckerlis.
Beide freuten wir uns so auf unsere gemeinsame Österreich-Wanderung, und ich schrie es hinaus: Warum, Warum, Warum!
Ich glaube, ich werde es nie verstehen.
Wir verließen die Klinik, und wieder hob ich Amadeus mit größter Vorsicht ins Auto in sein Bettchen.
Er fühlte sich sofort sicherer.
Sprachlos saßen wir minutenlang im Auto.
Auch sein vierbeiniger Best Buddy Ferdinand bemerkte sofort, dass etwas nicht stimmte.
Cornelia meinte, dass wir noch eine zweite Meinung einholen sollten.
Sie rief eine Kollegin an, Dr. Sandra Utzman, die eine ausgewiesene Expertin auf dem Gebiet der Onkologie ist.
Sie erzählte ihr, wie es um Amadeus stand und dass wir gerne ihre Meinung hören wollen.
Sie nahm sich auch sofort Zeit für uns, da sie neben ihrer großartigen Fachkompetenz auch ein wirklich ein super lieber, empathischer Mensch ist.
Ich rief Mama an und sagte ihr mit schmerzerfüllter Stimme, dass Amadeus sterben müsse und dass es keinen Ausweg mehr gab.
Stumm weinten wir eine Weile, und dann sagte ich zu Cornelia, dass ich jetzt gleich alle Freunde, Bekannten und am Österreich-Walkathon Beteiligten anrufen und absagen würde.
Wenn ich das nicht jetzt machen würde, würde ich später nicht mehr die Kraft dazu finden. Und ich wollte es so schnell wie möglich hinter mich bringen.
Der Schmerz kroch in jede Faser meines Körpers, und die Trauer blendete meine Gedanken und begann mein Herz zu erdrücken.
Alle, die ich anrief, waren zutiefst schockiert und betroffen, und Ströme von Tränen begannen bei allen zu fließen.
Jeder der Amadeus kannte, liebte ihn und bewunderte ihn für seine besonderen Fähigkeiten.
Alle hatten uns als Einheit gesehen, weil wir diese Einheit auch ganz offen gelebt hatten.
Als wir bei Cornelias Kollegin Sandra angekommen waren, nahm sie sich sofort für uns Zeit. Nach der Betrachtung der Röntgenbilder führte Sandra noch eine genauere Ultraschalluntersuchung durch.
Es stellte sich leider heraus, dass es noch viel schlimmer war.
Sandra teilte uns mit, dass sie solche Veränderungen trotz ihrer großen Erfahrung selbst auch noch nie gesehen hatte.
Sie war mir gegenüber sehr offen und ehrlich, und das fand ich wirklich gut.
Sie sagte zu uns, dass es tatsächlich keinen Ausweg mehr für Amadeus gab und wir ihn von seinen Schmerzen befreien sollten.
Es wäre für Amadeus am besten, wenn das in seiner gewohnten Umgebung geschehen würde und Cornelia das machen könnte, weil Amadeus sie kannte und liebte.
Wir schlossen uns Sandras Meinung an.
Amadeus bekam noch eine Infusion, die ihm die Schmerzen nahm.
Cornelia bekam noch eine zweite Infusion für Amadeus nach Hause mit, denn wir wollten, dass er ohne Schmerzen und in Frieden gehen kann.
Alle in der Praxis fühlten mit uns.
Zu Hause angekommen legte ich Amadeus im Wohnzimmer in sein geliebtes Betti neben der Couch.
Er legte sich sofort hin und entspannte sich.
Cornelia und ich streichelten und kraulten ihn.
Auch sein Best Buddy Ferdinand legte sich zu ihm, um sich zu verabschieden.
Ich streichelte ihn 3 Stunden lang ununterbrochen.
Dann begann er wieder zu hecheln, und wir wussten, dass die Schmerzen wieder kamen.
Cornelia verabreichte ihm noch eine letzte Infusion, und dann war uns klar, dass wir ihn gehen lassen mussten.
Es war uns eine Herzensangelegenheit, dass Amadeus schmerzfrei, entspannt und friedlich einschlafen konnte.
Als er entspannt lag, bekam er seine Narkose.
Cornelia hatte das doppelte Gewicht berechnet, um sicher zu gehen, dass er schnell und ruhig einschlief.
Jetzt war er also gekommen, einer der schlimmsten Momente in meinem Leben.
Während Cornelia die Narkose verabreichte, hielt ich Amadeus‘ Kopf in meinen Händen, kraulte ihn hinter den Ohren und spürte seinen treuen, liebevollen, intensiven Blick, der mir sagte:
Ich will dich nicht allein lassen!
Ich will dich nicht im Stich lassen und möchte weiter für dich da sein!
Doch so sehr ich mir das wünsche, ich kann nicht mehr!
Ich habe keine Kraft mehr.
Ich kraulte ihn weiter hinter den Ohren – das hatte er immer so gern gehabt – und wartete, bis er einschlief.
Amadeus und ich wollten und konnten den Blick nicht voneinander nehmen.
Trotz Narkose wollte er einfach nicht einschlafen.
Da hörte ich plötzlich eine Stimme in mir, die mir sagte:
Er kann erst dann gehen, wenn du ihn gehen lässt!
Da wusste ich, was ich zu tun hatte.
Ich wollte, dass er einschlief, bevor die Schmerzen wieder kamen.
Ich streichelte ihn noch einmal sanft, legte seinen Kopf in meine Hände und stupste mit meiner Nasenspitze seine an.
Dann traf mich wieder sein Blick, und ich sagte zu ihm:
„Amadeus du darfst gehen.“
Niemals zuvor fiel es mir so schwer zu sprechen, obwohl ich ganz tief in mir wusste, dass es richtig war.
Da schlief er friedlich ein und schloss seine Augen für immer.
Ich streichelte ihn und hielt seine Pfote, bis sein Herz aufhörte zu schlagen.
Vor seinem letzten Herzschlag sagte ich ihm noch einmal, wie lieb ich ihn habe und wünschte ihm eine gute Reise.
Ich hielt ihn fest in meinen Armen und wollte ihn gar nicht mehr loslassen.
Danach öffnete ich die große Terrassentür, setzte mich an den Flügel und begann zu spielen.
Amadeus‘ Seele breitete ihre Flügel aus und schwebte zu meinen Klängen hinaus in die Unendlichkeit.
Es war 1 Uhr 30 morgens.
In diesem Moment wurde am Himmel ein neuer Stern geboren.
Amadeus, egal wohin der Wind deine Seele trägt, sie wird immer mit meiner Seele verbunden sein.
Amadeus, Großer, ruhe zwischen den Sternen am Firmament, und warte da, wo wir dich finden und wieder zusammen sein können.
Als der letzte Ton verklang, traf es mich wie ein Schlag.
Das Haus fühlte sich von einer auf die andere Sekunde so unglaublich schrecklich leer an, als hätte jemand die Lebensenergie entzogen.
Auch meine Lebenskraft war nur noch sehr klein.
Mein Haus war unser Reich, und ich werde nie vergessen. mit welchem Eifer du, Amadeus, bei den ersten Grabungsarbeiten mitgegraben hast.
Du hast das Haus geliebt und mit Leben erfüllt.
Kein Meer kann so groß sein, dass es meine Tränen zu fassen vermag.
Kein Ort kann so dunkel sein wie die Finsternis, die zur Zeit in meinem Herzen herrscht.
Was Cornelia für meinen Amadeus getan hat, werde ich nie vergessen.
Es war auch für sie sehr schrecklich, Amadeus zu erlösen.
Wir haben ihn gemeinsam großgezogen und ausgebildet.
Er hat unser Leben unglaublich bereichert.
Unsere Liebe zu ihm war grenzenlos.
Wir saßen noch lange bei ihm und erinnerten uns an viele wundervolle Momente mit ihn.
Ich konnte wieder nicht einschlafen und hielt Totenwache bis in den Morgen.
Ich ging zu Mama zum Kaffee und erzählte von den Ereignissen der letzten Nacht.
Wir lagen uns wieder in den Armen und trauerten um ihn.
Wenn Cornelia nicht gewesen wäre, hätte ich diese Zeit nie überstanden.
Als ich von Mama wieder zurück zu meinem Haus ging, blieb ich auf halbem Weg stehen, wendete mich Richtung Wiese und ließ meinem Schmerz freien Lauf. Als ich zur Haustür ging, wartete schon Cornelia auf mich, nahm mich in den Arm, und wir ließen unsere Trauer hinaus.
Wir brachten Amadeus‘ Leichnam ins Tierkrematorium, und ich holte seine Asche noch am selben Tag nach Hause.
Seine Urne steht auf meinem Konzertflügel, und wenn es mit mir einmal zu Ende geht, möchte ich im Wald unter einem schönen Baum meine Ruhe finden.
Dann will ich, dass Amadeus‘ Asche mit meiner vermischt und begraben wird.
Ich habe auch Wolle von Amadeus gesammelt und möchte mir daraus einen Pullover stricken lassen.
Das wird ein schönes Andenken.